Hier kommen die Zusammenfassung unseres letzten Treffens, die wichtigsten Termine für die nächste Zeit und die Tops und Flops der Klimaberichterstattung.
Breaking Climate News.
Input von Sara Schurmann (freie Journalistin) und Reinhard Steurer (Klimawissenschafter BOKU Wien)
Ende August gab es mit “Breaking Climate News: Verstehen. Vernetzen. Verbreiten.” eine von Fridays for Future Wien und dem Presseclub Concordia organisierte Veranstaltung für Journalist*innen zur Klimaberichterstattung. Die Vorträge von Sara Schurmann und Reinhard Steurer könnt ihr hier nachhören. Anschließend gab es noch einen offenen Austausch zwischen Journalist*innen, Aktivist*innen und Wissenschafter*innen.
Die Kernpunkte:
Klimaforscher Reinhard Steurer beschäftigt sich an der BOKU Wien mit der politischen Dimension der Klimakrise und macht klar: Wir sind kurz davor, das 1,5 Grad Ziel im Pariser Klimaabkommen zu verfehlen. Damit destabilisiert sich das Weltklima. Denn sogenannte Kipppunkte setzen zwischen 1,5 und 2°C ein. Noch ließe sich das ändern, doch aktuell steuern wir auf ein “Hothouse Earth Szenario” zu. Das bedeutet drei bis vier Grad Erwärmung, wodurch weite Teile der Erde unbewohnbar werden.
Die Klimakrise ist als “ressortübergreifende Existenzfrage” zu verstehen. Die Folgen müssen klar als solche benannt und verharmlosende Bezeichnungen wie “Klimawandel” statt “Klimakrise” müssen vermieden werden. Abwehrmechanismen müssen erkannt und thematisiert werden, Ausreden gilt es mit Fakten zu widerlegen. Protestbewegungen sollten unterstützt werden, denn “Neutralität” gibt es in der Klimakrise nicht. “Jeder ist entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems”, konstatiert Steurer. In einer Demokratie erkennt entweder eine Mehrheit das Problem und bestraft die Ausreden der Klimaschutzpolitik, oder wir werden das Problem nicht zeitgerecht lösen.
“Paris hat mir die letzte Hoffnung genommen. Als alle gejubelt haben, habe ich mich nur gefragt, wie das denn gehen soll? Erst mit Fridays for Future kam bei mir wieder Hoffnung auf”, antwortet Steuer auf eine Frage aus dem Publikum.
Sara Schurmann hat einen viel geteilten offenen Brief geschrieben, in dem sie Journalist*innen dazu auffordert, die Klimakrise endlich ernst zu nehmen. Sie war ehemals bei Zeit Online, Vice und dem Tagesspiegel tätig und ist Mitbegründerin des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland.
Wir befinden uns in einer schwer vorstellbaren gesellschaftlichen Verdrängung. Journalist*innen haben eine schwierige Doppelrolle: “Einerseits spiegeln wir das Bewusstsein der Gesellschaft und der Politik für die Klimakrise wider und andererseits prägen wir sie entscheidend mit.”
Es braucht eine Debatte darüber, wie wir über Klima berichten. Es braucht Chefredaktionen, die ihren Mitarbeiter*innen den nötigen Raum und die Zeit geben, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen, etwa durch Fortbildungen oder ein Klimaressort. Auch die Einführung eines Klima-CVDs (Chef*in vom Dienst) macht Sinn. Man könnte eine Expertin einstellen, um alle Kolleg*innen dazu zu befähigen, die Klimakrise mitzudenken. Diese Unterstützung ist nötig, denn Schurmann kennt “keine Journalistin, die zu wenig arbeitet.” Es braucht aber auch Redakteur*innen, die das ansprechen und einfordern.
Top/Flop des Monats
Klimaberichterstattung, die aufgefallen ist
Die größte Gratis-Tageszeitung Heute bekommt mit Lydia Matzka-Saboi ein Klimaressort samt Ressort-Leiterin. Matzka-Saboi war 15 Jahre lang Sprecherin der Umweltschutzorganisation Global2000. Stehen wir gar vor einer Medien-Klimawende im Boulevard?
Auch sonst hat der August einiges zu bieten: Der Radiosender Ö1 gibt Einblicke in die Klimaberichterstattung im deutschsprachigen Raum. Das TIME Magazine beeindruckt mit einem Cover und es gibt eine neue österreichische Studienreihe zur Klimaberichterstattung. Im Triell um die deutsche Kanzlerschaft ist für Moderation wie für Kandidat*innen noch Luft nach oben.
TOP
TIME Magazine: What happens to the Planet next is up to us
Das amerikanische Nachrichtenmagazin TIME platziert die Klimakrise dort, wo sie hingehört: auf die Titelseite. Eindrucksvolles Cover, beeindruckend klare Worte.
FLOP
Triell im deutschen Wahlkampf: “Laschet in der Erzählung zum Klimaschutz progressiver als Moderator*innen”
Im zweiten Triell um die deutsche Kanzlerschaft wollte das Moderatorenteam Maybrit Illner und Oliver Köhr (ARD und ZDF) die Spitzenkandidat*innen „aus der Komfortzone“ locken. Zumindest beim Klimaschutz ist das misslungen, findet Medienmanager und Experte für Klimajournalismus Wolfgang Blau: “[Es ist] verblüffend, wie wenig die beiden vom Ausmaß der Klimakrise zu ahnen scheinen. Sie haben sie nur abgehakt”, und weiter: “Der Untertext diesesTriells heute: 'Die Klimakrise ist nur ein Thema von vielen und vor allem ist sie auch nicht das wichtigste Thema'.” Weiter kritisiert Blau, dass wieder einmal nach den Kosten anstelle der Dringlichkeit der Lage gefragt wird.
Der freie Journalist (unter anderem ZDF) Daniel Bröckerhoff vermisst zudem die Frage, warum alle Parteiprogramme einer Studie des DIW Berlin zufolge die gesetzlich festgelegten Klimaziele verfehlen, weshalb die mehrfach in der Studie zitierte Claudia Kemfert schon länger ein eigenes Triell zum Thema ‘Klima’ fordert. Dem kann auch Sara Schurmann viel abgewinnen.
Und sonst so?
Aktuelle Fakten, Events und Initiativen
Das Gallup Institut startete gemeinsam mit dem Medienhaus Wien die Studie “Österreichs Medien und der Klimawandel”. Mehr als die Hälfte der 16-30-Jährigen sind der Meinung, dass die Medien zu wenig über den Klimawandel berichten.Ausgewählte Ergebnisse sind bereits verfügbar, die Presseaussendung findet ihr hier.
Wie sollen Medien über die COP26 in Glasgow berichten und was steht auf dem Spiel? Dazu halten Covering Climate Now und Climate Central ein Pressebriefing am 15. September von 18 - 19 Uhr. Anmelden könnt ihr euch hier.
Am Dienstag, den 21.9. gibt es eine Pressekonferenz der Klimabewegung, um zum Weltweiten Klimastreik aufzurufen.
Wann? 10:00-11:00 Uhr
Wo? Concordia Presseclub, Bankgasse 8, 1010 Wien
Rückfragen und Kontakt: presse@fridaysforfuture.atAuch pünktlich zum Klimastreik findet ein Pressegespräch zwischen Wissenschaft und Klimabewegung organisiert von den Scientists4Future statt.
Wann? 24.9., 09:30
Wo? Concordia Presseclub, Bankgasse 8, 1010 Wien
Unter anderem auf dem Panel: Univ.Prof.Dr. Verena Winiwarter, Univ.Prof.Dr. Gottfried Kirchengast
Anmeldung unter: public-relations.at@scientists4future.org
Andere über uns
#Doublecheck: Klima-Journalismus lauwarm (Radiobeitrag)
Im Ö1-Medienmagazin #Doublecheck analysieren Rosanna Atzara, Nadja Hahn und Stefan Kappacher einmal im Monat, wie über Medien Politik gemacht wird. Dieses Mal ging es um die Klimaberichterstattung in Österreich und um den deutschen Klima-Wahlkampf. Viele Medien - auch der ORF selbst - bebildern noch immer Berichte über tödliche Hitzewellen mit Menschen, die am Strand chillen. Deshalb fordern viele mehr Kompetenz in den Reaktionen – vom eigenen Klimaressort bis zum Klima-CVD (Chef*in vom Dienst). In der Klimaberichterstattung ist die Schwelle zum Aktivismus niedrig, beides muss sich aber nicht unbedingt ausschließen. Gerade dann nicht, wenn “kein Klimaschutz bedeutet, dass wir unsere Lebensgrundlage zerstören”, wie Sara Schurmann sagt. Auch Clara Porák, Mitgründerin des Netzwerk Klimajournalismus, wurde dazu befragt.
Klimajournalismus als Herausforderung: Ein komplexes Medienversagen
Journalismus versus Aktivismus: Der Maßstab ist die Wissenschaft
Interview mit Medienmanager Wolfgang Blau: Der Klima-Vordenker in Oxford
Horizont-Interview mit Katharina Kropshofer
Netzwerk Klimajournalismus-Mitgründerin Katharina Kropshofer hat dem Medienmagazin Horizont ein Interview zum Netzwerk Klimajournalismus gegeben: “Der Plan ist, auf jeden Fall Workshops anzubieten, eine Homepage ist in Arbeit, um das zu sammeln, was wir zusammengetragen haben.” Aus einer Diskussionsrunde heraus hat sich mittlerweile einiges getan, das wir nun weitertragen.
Unser nächstes Treffen: 30. SEPTEMBER 2021, 19 Uhr, Wien
Am 30. September um 19 Uhr findet ein analoges Treffen für alle Wiener Klimajournalist*innen statt - den Link zur Anmeldung findet ihr hier. Infos folgen.
Online geht es im Oktober weiter und der nächste Newsletter erscheint in rund zwei Wochen. Input zur Weiterentwicklung ist natürlich jederzeit willkommen.
Genießt die letzten warmen Tage und bis bald!
Euer Netzwerk Klimajournalismus