AUGUST im Netzwerk Klimajournalismus
Hier kommen die wichtigsten Termine für die nächste Zeit und die Tops und Flops der Klimaberichterstattung.
Unser nächstes Treffen: Stammtisch mit Sara Schurmann
Am 14. September um 18 Uhr ist Sara Schurmann, Mitgründerin des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland und Buchautorin in Wien zu Gast. Wir informieren euch zeitnah, wo wir uns treffen, und freuen uns auf möglichst viele von euch!
Top/Flop des Monats – Klimaberichterstattung, die aufgefallen ist
TOP
Die Klimakatastrophe in den Chefredaktionen
“Vor lauter Einzelfällen sehen wir die Klimakatastrophe nicht”, titelte Gerold Riedmann, Chefredakteur der Tageszeitung Vorarlberger Nachrichten, in seinem Kommentar. Eva Linsinger, stv. Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins Profil, schrieb als Leitartikel: “Die Klimakatastrophe passiert jetzt”. In der Kleinen Zeitung kommentierte der stv. Chefredakteur Michael Jungwirth wie es aussieht, “wenn die Natur zurückschlägt.” Und Liane Pircher, leitende Redakteurin der Tiroler Tageszeitung, bringt es auf den Punkt: “Es geht darum, uns selbst zu retten.”
Warum solch deutliche Worte? In Österreich starben Mitte August infolge eines Sturms fünf Menschen durch umstürzende Bäume, darunter zwei Kinder. Viele weitere wurden verletzt. Tags darauf regnete es in Vorarlberg an einem Tag fast so viel, wie im bisherigen Jahr in Wien. Das führte zu über 1.500 Feuerwehr-Einsätzen, das Ländle kam aber mit einem blauen Auge davon.
Inmitten einer Klimakrise sind klare Worte notwendig. Diese Deutlichkeit braucht es in allen Ressorts, denn die Klimakrise ist - analog zu Demokratie und Menschenrechten - ein Querschnittsthema.
FLOP
Der Realität (nicht) ins Auge sehen
Es gibt jedoch auch andere Beispiele:Die Kronen Zeitung berichtete am 7. August auf sechs Seiten über Unwetter in Salzburg. Die Klimakrise kommt mit keinem Wort vor. Die Kleine Zeitung berichtete am 20. August auf acht Seiten über die Unwetter in Kärnten und der Steiermark. Die Klimakrise wurde aber mit keinem Wort erwähnt. Anfang August ging es im Boulevardmedium oe24 um die Hitzewelle - mit Bildern von Eis und Badespaß. Und eine Bildergalerie zur Jahrhundertdürre wurde in der Kleinen Zeitung von einer Frau im roten Bikini angeteasert.
Das alles mögen Einzelfälle sein. Aber um es mit den Worten von VN-Chefredakteur Gerold Riedmann zu sagen: “Vor lauter Einzelfällen sehen [die Leser:innen] die Klimakatastrophe nicht.”
Und sonst so? - Aktuelle Fakten, Events und Initiativen
TERMINE:
Am 07. September (11 Uhr) hält Christopher Schrader von klimafakten.de ein Webinar über Bildsprache im Klimajournalismus
Am gleichen Tag (Wien) diskutieren der Meteorologe Marcus Wadsak, Aktivistin Lena Schilling, Comedian Michael Niavarani, Klimaökonom Gernot Wagner und Klimaanwältin Michaela Krömer bei der STANDARD-Veranstaltung “Klima im Park”
Vom 14. - 15. September (Zürich) findet der K3 Kongress zu Klimakommunikation statt - schon ausgebucht, aber mit Livestream
Am 15. September von 10.00 bis 18.00 Uhr (Wien) findet die klimaaktiv-Konferenz unter dem Motto "Der Umbau hat begonnen!" statt
Am 19. September (17 Uhr) geht es beim Bonn Institute for Constructive Journalism um Perspektivenreichtum
Vom 22. - 23. September (Wien) findet die “A Green Chemical Deal”-Konferenz zum Thema Chemikalienpolitik im Zusammenhang mit dem Green Deal statt
RESSOURCEN:
Die Thomson Foundation bietet einen dreistündigen Online-Kurs zu lokalem (Daten-)Klimajournalismus an
Das Oxford Climate Journalism Network erstellt gerade gemeinsam mit Carbon Brief eine Datenbank mit Klimaforscher:innen aus dem Globalen Süden
SCHON GESEHEN?
Wie wir die Medien Hitze endlich ernstnehmen können, zeigt ein lesenswerter Beitrag in Perspective Daily
In Psychologie Heute gibt es ein spannendes Interview über die Psychologie des Handelns und Nichthandelns gegen die Klimakrise
Was der Klimajournalismus besser machen könnte, erzählen drei Journalist:innen des Oxford Climate Journalism Networks im Podcast
JOBS, STIPENDIEN UND PREISE:
Die ZiB vergibt ein 4-monatiges Praktikum im Social Media-Bereich ab Oktober 2022
Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) bietet einen 2- bis 4-monatigen Gastaufenthalt für Wissenschaftsjournalist:innen an
Das Clean Energy Wire vergibt Stipendien für eine Tour durch die Kernkraft-Länder Deutschland, Frankreich und Schweiz
AUS DEM NETZWERK:
Am 9. September (17.00 Uhr, Wien) diskutiert Netzwerk-Mitgründerin Clara Porák beim “Meidlinger Klima-Grätzl Symposium” mit den Journalist:innen Andreas Sator, Claudia Reiterer und Georg Renner, ob die Medien der Klimakrise gerecht werden.
Am 16. September (Villach) moderiert Netzwerk-Sprecherin Verena Mischitz eine Diskussion zu den drängendsten Klimafragen mit Katja Diehl, Sara Schurmann, Kirsten von Elverfeldt und Stefan Breuer. Anmeldung unter office@kulturhofvillach.at
Am 29. September findet die IDEALE statt - eine Konferenz über wertebasierte Kommunikation. Dabei diskutiert Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer mit der Psychologin Katharina van Bronswijk und der Global-2000 Mitarbeiterin Terlan Djavadova über Klimakommunikation
Bis bald!
Euer Kernteam
Im Gespräch mit…
… Kris de Meyer. Der Neurowissenschaftler macht den Anfang unserer neuen Serie, in der jedes Monat ein Interview erscheinen wird. Mit Kris haben wir über lösungs- und handlungsorientierten Journalismus gesprochen. Denn aktuell sind über 90 Prozent der Klima- und Umweltberichterstattung negativ und problemorientiert. Kris warnt: “Den Menschen Angst zu machen, hilft nur dann, wenn man ihnen gleichzeitig eine Lösung anbieten kann.”
Die wichtigsten Absätze haben wir für euch im Newsletter. Die Vollversion könnt ihr hier lesen.
Was kann der Journalismus von den Neurowissenschaften lernen?
Kris: Wie Geschichten bei Menschen ankommen. Viel zu lange haben wir geglaubt, dass Menschen, wenn man ihnen einfach genug Informationen gibt, diese auch verstehen und dann entsprechend handeln werden. Wenn sich jemand bereits eine feste Meinung gebildet hat, hat die bloße Weitergabe von Informationen aber keine große Wirkung. Die Menschen werden es durch die Brille dessen verstehen, was sie bereits in ihrem Kopf haben: ihre Überzeugungen und Ideologien.
Der Initative “Project Drawdown” zufolge konzentrieren sich mehr als 90 Prozent der Umwelt- und Klimageschichten auf diese negativen Katastrophenereignisse. Viele Journalist:innen sind immer noch der Meinung, dass das Verständnis, die Besorgnis oder sogar die Angst der Menschen vor der Erderhitzung für Maßnahmen und Verhaltensänderungen notwendig sind. In einer Studie aus dem Jahr 2021 schreiben Sie, dass diese Auffassung falsch ist. Warum?
Kris: Den Menschen Angst zu machen hilft nur dann, wenn man ihnen gleichzeitig eine Lösung anbieten kann.
Aber in Bezug auf die Klimakrise ist die Angst, die Sie als Journalist:in auslösen, und die Katastrophe, die Sie aufzeichnen, so massiv und überwältigend, dass Sie diese machbaren Lösungen nicht vermitteln können. Es ist dann ungewiss, wie die Menschen reagieren werden. Einige werden aufmerksam zuhören und versuchen, etwas dagegen zu tun. Andere werden gelähmt sein. Und wiederum andere werden sich abwenden, werden wütend und möglicherweise zum Klimawandelleugner oder -Skeptiker.
Was sollten wir also anders machen?
Kris: Wir müssen den Klimawandel immer noch in Katastrophengeschichten einbringen. Aber wir müssen die Zahl der Geschichten darüber, wie wir das Problem angehen, massiv erhöhen. Denn die Katastrophengeschichten funktionieren nur, wenn es eine Katastrophe gibt oder einen IPCC-Bericht, der über die Katastrophen spricht, die passieren könnten.
Die aktuelle Berichterstattung über den Klimawandel ist nicht nachhaltig. Sie findet nur statt, wenn schlimme Dinge passieren. Wenn wir eine Klimaberichterstattung von ähnlicher Kontinuität wie die Wirtschaftsberichterstattung oder die Sportberichterstattung haben wollen, müssen wir einiges ändern.
Ich meine damit nicht, dass es ein Klima-Ressort geben muss, das neben der Wirtschafts- und Sportberichterstattung steht. Was ich meine, ist, dass die Klimakrise in allen Ressorts mitgedacht werden muss, die es bereits gibt.
Was sind die Schlüsselelemente einer erfolgreichen Klimageschichte?
Kris: Versuchen Sie, eine Geschichte über eine Person zu finden, die etwas verändert hat. Was will ich damit sagen? Wir wissen, dass sich zwischen heute und 2030 oder 2040 – sofern wir uns ernsthaft auf den Weg zu einer Netto-Null-Gesellschaft machen – unheimlich viel ändern wird. Wir werden unsere Häuser anders heizen, wir werden anders essen, der Verkehr wird anders sein. Unternehmen werden anders arbeiten, Finanzorganisationen werden Geld in umweltfreundlichere Projekte investieren, Anwälte werden anders arbeiten, Journalist:innen usw.
All dies sind potenzielle Handlungsfelder. Sie suchen sich eine Person, die in dem Bereich, über den Sie schreiben wollen, Fortschritte erzielt hat. Zum Beispiel ein Unternehmen, das wirklich hart daran arbeitet, Netto-Null zu erreichen. Fragen Sie die Person nach ihrem Weg: Warum haben Sie angefangen? Wie weit sind Sie gekommen? Sind Sie auf irgendwelche Hindernisse gestoßen? Dann können Sie diese Held:innen-Geschichte erzählen.
Solche Erfolgsgeschichten gibt es in vielen Ressorts. Aber es gibt sie selten zur Klimakrise.
Das ganze Interview könnt ihr auf unserer Website nachlesen.