Das letzte Treffen. Input von: Nora Laufer, Wirtschaftsredakteurin bei DER STANDARD
Wie hat sich die Klimaberichterstattung in den letzten Jahren verändert? Mit dieser Frage haben wir uns beim letzten Treffen mit Redakteurin Nora Laufer beschäftigt, für die diese Beobachtungen Arbeitsalltag sind.
Die Kernpunkte:
Der Hitzesommer 2018, der neue Bericht des Weltklimarats und die ersten Klimastreiks von Fridays for Future verschafften dem Thema Klimakrise sehr rasch eine neue gesellschaftspolitische Präsenz. Und damit 2019 gebührenden Platz auf den Titelseiten.
Der Ibiza-Skandal und die Corona Pandemie verdrängten die Klimakrise 2020 wieder zunehmend aus der medialen Aufmerksamkeit. Dazu kam die neue Koalition mit grüner Regierungsbeteiligung. Durch die Grünen in der Regierung fehlt es teilweise an Oppositionsarbeit in der klimapolitischen Debatte. Nach eineinhalb Jahren Türkis-Grün und mäßigen Fortschritten im Klimaschutz ändert sich das vielleicht bald.
Bemerkenswert ist: Das Interesse an der Klimakrise von Redaktionen und Leser:innen ist weiterhin hoch.. Auch das Wissen zu vielen Klimathemen steigt.
Die journalistische Aufbereitung von klimapolitischen oder -ökonomischen Inhalten bleibt herausfordernd. Bekannte Wissenschafter:innen, die beratend zur Seite stehen und auch einmal spontan faktische Details überprüfen, können hier wichtige Verbündete sein.
Im Hinblick darauf, wie viel Wissen man Leser:innen zutrauet, und wie man gewisse Dinge mehr in das Bewusstsein bringt, waren wir uns einig, dass es beides braucht: Emotionen in Texten, die parallel zu klassischen Berichterstattung helfen können, das Thema zu fassen sowie zusätzlich Elemente langfristiger Berichterstattung (z. B. durch ein Klima-Dashboard). Jedoch auf eine Art und Weise, die durch die permanente Konfrontation mit der existenziellen Krise nicht zur Abstumpfung führt.
Top/Flop des Monats - Klimaberichterstattung, die aufgefallen ist
Mit den aktuellen Hochwasserfluten ist die Klimakrise ein für alle Male im globalen Norden und mitten in Europa spürbar geworden (auch wenn sie natürlich schon länger angekommen ist). Kein Wunder also, dass die Berichterstattung im Juli einiges zu bieten hatte: Meteorolog*innen live zu Gast im ORF, die Klimakrise als Player im deutschen Wahlkampf, österreichisch-steinzeitlicher Koalitionskrach wegen neuen Autobahnen und vieles mehr. Der Mediensommer bleibt heiß.
TOP
Reuters: The era of loss and damage from climate change is upon us, Reuters (Opinion)
Saleemul Huq, Direktor des International Centre for Climate Change and Development in Bangladesh kann nicht fassen, wie unvorbereitet Deutschland von den Fluten getroffen wurde: “Der Verlust an Menschenleben, den ich in Deutschland während der letzten Tage gesehen habe, wäre in Bangladesh nicht mehr denkbar.” Neben Tipps für die Zukunft macht Huq gleichzeitig klar, dass sich reiche Länder nun nicht nur der inländischen Schadensbegrenzung widmen müssen, sondern auch jener in Ländern des globalen Südens.
Der Standard: Es ist Zeit, richtig aufzuräumen (Kommentar)
Mitleidsbekundungen alleine nach Überflutungen reichen nicht, argumentiert auch Nora Laufer. Kurzfristige Katastrophenhilfe in betroffenen Gebieten ist wichtig, ersetzt aber keine umfassende Klimapolitik. Dass den einen schöne Worte lieber als Taten sind, zeigt sich auch an der Evaluierung neuer Autobahnprojekte: Der mögliche Stopp von Auto-Infrastrukturprojekten und steinzeitliche Aussagen des Bundeskanzlers machen Klimaschutz derzeit wieder zum innenpolitischen Topthema. Wir hoffen, dass Nora Laufer weiterhin mit dem Kommentieren nachkommt.
FLOP
Diese Darstellung spricht für sich. Wie Extremwetter und der Klimawandel in Zusammenhang stehen, haben mittlerweile die meisten Medien wissenschaftlich fundiert dargestellt. Nur die Bild will nicht.
Und sonst so? - Aktuelle Fakten, Events und Initiativen
Auch in Deutschland gibt es seit kurzem das Netzwerk Klimajournalismus Deutschland. Das Auftakttreffen fand am 08. Juli statt - und hundert interessierte Journalistinnen und Journalisten waren anwesend. Derzeit wird in Arbeitsgruppen diskutiert, wie es weitergeht. Fix ist: Es wird groß. Für mehr Infos hier entlang: klimajournalismus.de
Covering Climate Now ruft dazu auf, umfassend über den möglicherweise überschrittenen Kipppunkt des Amazonas Regenwaldes zu berichten: Dieser emittiert mittlerweile teilweise mehr CO2 als er aufnehmen kann. Diese Schreckensnachricht kursierte letzte Woche – jedoch nicht immer mit der notwendigen Ernsthaftigkeit. Der Appell an alle Medienschaffenden lautet: Report, like our survival depends on it.
Welche Lehren aus der Corona-Berichterstattung für die Klimakrise gezogen werden können, hat Wolfgang Blau, der hierzu aktuell am Reuters Institute forscht, analysiert. Ganz nach dem Motto von Emily Atkin: “Everyone should be a climate reporter. And if you are not a climate reporter right now, you will be.”
Unser nächstes Treffen: SEPTEMBER 2021
Nach einer Sommerpause im August werden wir uns Anfang September mit Neuigkeiten rund um das Netzwerk und Terminen für die nächsten Treffen melden. Input zur Weiterentwicklung ist natürlich jederzeit willkommen.
Einen schönen Sommer und bis bald!
Euer Netzwerk